Good Practice in der Elementanalyse – Stolpersteine der EDX am Rasterelektronenmikroskop

Die energiedispersive Röntgenspektro­skopie (kurz: EDX oder EDS) dient der ortsaufgelösten Bestimmung von Materialzusammensetzungen und wird häufig als komplementäre Analytik in der Rasterelektronenmikroskopie (REM) genutzt. Nahezu jedes Raster­elektronenmikroskop lässt sich ohne großen Aufwand mit einem EDX-Detektor und dazugehöriger Analyse­software ausstatten. Ein großer Vorteil der EDX ist, dass sich unterschiedlichste Materialien zerstörungsfrei analysieren lassen. Hinzu kommen permanente Fortschritte in der Ent­wick­lung von Detektoren, höhere Rechen­leistungen der Prozessoren und verfeinerte Algorithmen zur Identifizierung und quantitativen Bestimmung von Elementen. All dies macht sie zu einer die Rasterelektronenmikroskopie gut ergänzenden, leicht zugänglichen und auf den ersten Blick unkomplizierten Untersuchungsmethode.

Sofern es bei einer EDX-Unter­su­chung lediglich darum geht, qualitative Aussagen zu erhalten („Die Probe ist durch das Element X kon­tami­niert“) und eine signifikante Elementkonzentration in einer homogen beschaffenen Probe vorliegt, ist diese Einschätzung korrekt. Aller­dings zeigt Röntgenstrahlung in Festkörpern ein sehr komplexes Ver­halten. Daher müssen bei inhomo­genen Proben (sowohl bezüglich der Zu­sammensetzung als auch der Topo­gra­fie) oder schichtartig aufge­bau­ten Materialien die Unter­su­chungsbe­­dingungen genau­estens betrachtet und die Spektren sorg­fältig inter­pre­tiert werden. Das Gleiche gilt, wenn bei der Unter­suchung Ele­mentgehalte be­stimmt werden sollen.

Diese Beitragsreihe soll einen Einblick in die notwendigen Überlegungen rund um das Thema EDX am REM geben und Stolpersteine bei der Interpretation von EDX-Untersuchungen aufzeigen. Alle Untersuchungen und Abbildungen wurden an einem Phenom ProX vorgenommen.

Teil I: Grundlagen der EDX

Die Wechselwirkungen von ein­ge­strahl­ten Elektronen (Primär­elek­tronen, PE) mit dem elektromagneti­schen Feld des untersuchten Materials lassen sich in zwei Kategorien eintei­len: Elastische und inelastische Wech­selwirkungen (Abb. 1). Inelas­tische Stöße von Elektronen verset­zen das betreffende Atom in einen angeregten Zustand. Erfolgt bei­spiels­weise ein Zusammenstoß von einem Primärelektron und einem Außen­schalenelektron, kann dieses ins Kontinuum überführt werden und das Atom wird ionisiert. Das Herausschlagen von Inner­scha­len­atomen andererseits bedingt einen Energieeintrag in der Größenordnung von Röntgenstrahlung (etwa 100 eV - einigen 10 keV). Der unbesetzte Zustand kann nun von Elektronen energetisch höher liegender Niveaus besetzt werden, wobei die Energiedifferenz in Form elektromagnetischer Strahlung, eben Röntgenstrahlung, emittiert wird. Diese Röntgenstrahlung ist element­spezifisch. Der Energiebereich der Rönt­genphotonen, welcher von EDX­­­-Detektoren erfasst werden kann, liegt bei modernen Instrumenten etwa zwi­schen 180 eV – 20 keV. Mit dem Phe­nom ProX sind Elemente des Perio­den­systems zwischen Bor und Ame­ricum detektierbar.

Ob und aus welchen Bereichen die durch den Elektronenbeschuss entstehende Röntgenstrahlung die Probe wieder verlassen kann, hängt vom sog. Wirkungsquerschnitt ab (Wahr­scheinlichkeit der Wechsel­wir­kung von Röntgenstrahlen mit den Atomen der Probe). Die Rönt­gen­photonen unterliegen beim Durch­tritt durch den Festkörper einer Rei­he von komplexen Prozessen, bevor sie an die Oberfläche gelangen. Die für EDX-Analysen wich­tig­sten Wechselwirkungsprozesse sind Absorption und Fluoreszenz von Rönt­­­genstrahlung sowie das (quasi)­kon­tinuierliche Abbremsen der PE („Brems­strahluntergrund“). Bedingt durch die Eintrittstiefe des Elek­tro­nen­­strahls in das Material ergibt sich eine sog. Wechselwirkungs- oder An­re­gungs­birne (siehe Abb. 2).

Dieses nicht scharf begrenzte Volumen definiert allgemein den Bereich, aus welchem die Wechselwirkungsprodukte von Elektronenstrahl und Materie erfasst und so z. B. Röntgenstrahlung für Elementanalysen genutzt werden kann. Üblicherweise liegt das Volumen der Röntgen-Anre­gungs­bir­ne im Bereich von mehreren hundert Kubiknanometern bis zu eini­gen wenigen Kubikmikrometern (Ta­belle 1). Die Ortsauflösung einer EDX-­Mes­sung wird somit durch die gewählte Beschleunigungsspannung (UA) und die (mittlere) Ordnungszahl (Z) bzw. Dichte des untersuchten Materials bestimmt. Je geringer Z und je höher UA, desto größer das Anregungsvolumen. Wenn beispiels­weise bei Punktanalysen eines Ge­füges auf dem Bildschirm ein scharf begrenzter Spot angezeigt wird, können u. U. trotzdem Röntgensignale von Einschlüssen oder benachbarten Körnern unbemerkt miterfasst werden. Ebenso ist zu beachten, dass energiearme Röntgenquanten einer höheren Absorption unterliegen als energiereiche. Damit bestehen unterschiedliche Austrittstiefen für Rönt­gen­quanten in Abhängigkeit von deren Energiegehalt. Außerdem können schwere Elemente diese weiche Rönt­genstrahlung absorbieren und somit z. B. den Nachweis eines Kohlen­stoffeinschlusses („Carbid“) in Stahl erschweren.

ElementUA = 5 kVUA= 10 kVUA = 15 kV
Kohlenstoff (C, Z = 6)500 nm1,5 µm3 µm
Gold (Au, Z = 79)70 nm200 nm400 nm

Tabelle 1: Tiefe des Anregungsvolumens in Abhängigkeit von der Beschleu­nigungsspannung UA sowie der Ordnungszahl Z des Materials (Monte-Carlo-Simulation).

In einer der nächsten Spectrum-Aus­gaben diskutieren wir in Teil II den Einfluss von vorgegebenen Mess­para­metern auf EDX-Analysen.

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